Schießen mit dem Compoundbogen Teil 3: Wasserwaage bitte waaas?
Heute widmen wir uns einem winzigen Bauteil am Compoundbogen, das oft übersehen, unterschätzt und gerne auch komplett ignoriert wird – der Wasserwaage. Kaum sichtbar, kaum beachtet, aber mit enormem Einfluss auf präzise Schüsse. Und ja, prinzipiell bin ich ein friedliebender Mensch, bekomme aber regelmäßig Puls wenn jemand
- A: die so prominent im Sichtfeld liegende Wasserwaage nicht nutzt, dafür schwankt der Bogen wie ein Schiff in schwerer See.
- B: die Wasserwaage nutzt – aber in Form eines hektischen Links-rechts-Geschaukels, das an einen Scheibenwischer erinnert.
Hand aufs Herz: Wie soll da die 10 sauber fallen?
Warum die Wasserwaage überhaupt da ist
Vorweg eine wichtige Randnotiz: Bei modernen Scopes ist es nicht nur sinnvoll, sondern ein echtes Muss, die Wasserwaage mindestens in erster und zweiter Achse sauber einzustellen. Für Feld- und 3D-Disziplinen ist die dritte Achse unverzichtbar.
Historisch gesehen war es übringens durchaus clever, eine Wasserwaage in die Visierung miteinzubauen: In unterschiedlichen Geländelagen – am Hang, bergauf, bergab, ohne festen Stand,… – verschiebt sich sonst Visierachse zu Pfeilachse – unbemerkt, aber fatal. Die Folge: seitliche Ausreißer, die man nicht erklären kann, außer mit „Irgendwie war heute alles schief.“
Feld- und 3D-Schütz*innen kennen das bis heute sehr gut.
Und in den Scheibendisziplinen?
Hier wird doch nur geradeaus geschossen? Gehen wir einen Schritt zurück und betrachten die Disziplinen im Vergleich:
Blankbogen
Keine Visierachse, kein Scope, keine Wasserwaage – beim Stringwalking wird mit der Pfeilspitze gezielt. Seitenfehler entstehen hier fast ausschließlich durch veränderte Biomechanik: Kraftlinien, Kopfposition, Sichtlinie.
Olympischer Recurvebogen
Hier haben wir ein Visier, aber keine Wasserwaage. Das bedeutet grundsätzlich:
Der Bogen muss gerade gehalten werden – jedes Verkannten führt zu seitlichen Abweichungen.
Da keine Wasserwaage als Kontrollinstrument existiert, ist der*die Schütz*in zu 100 % auf Wiederholbarkeit angewiesen. „Verkantet“ der Bogen, wird also technisch korrigiert (auch wenn die Ursachen hier vielfältig sein können – es gilt also zusätzlich, die richtige Ursache zu finden).
Compoundbogen
Und hier landen wir wieder am Ausgangspunkt: Ich beobachte oft, dass der Compoundbogen schon beim Anheben verkantet ist. Erst im Vollauszug, mitten im Zielvorgang oder sogar kurz vor dem Schuss wird hektisch korrigiert.
Getreu dem Motto:
„Ich HAB doch eine Wasserwaage – dann nutze ich sie auch!“
Prinzipiell richtig … aber nicht besonders elegant.
Keep it simple: Die Wasserwaage richtig nutzen
Ich greife – wie so oft – ein Beispiel vom olympischen Recurvebogen auf:
Dort wird bereits beim Anheben darauf geachtet, dass der Bogen nicht verkantet. Später lässt sich das nämlich nur schwer oder unzuverlässig korrigieren.
Für den Compoundbogen gilt:
Andere Mechanik, aber die gleiche Grundidee.
Meine Maxime für Compound-Schütz*innen:
👉 Während des Anhebens und spätestens mit Erreichen des Vollauszugs sollte die Wasserwaage bereits stehen.
(Achtung wichtig! Ich unterscheide hier zusätzlich zwischen Vollauszug und Ankerpunkt. Wir schießen hier einen Compoundbogen – das ist ein Unterschied!)
Verlierst du die Wasserwaage während des Ausziehens kurz? So what.
Entscheidend ist: Im Vollauszug muss der Bogen gerade sein.
Wenn du bis dahin sauber gearbeitet hast, musst du kaum noch korrigieren.
Der entscheidende Moment:
Sobald du:
- dein Auge hinter das Peep bringst,
- deinen Anker findest,
- die Rückenspannung hältst,
- und sauber zielst,
… musst du in der Lage sein, den Bogen stabil und gerade zu halten.
Dann reicht ein peripherer Blick auf die Wasserwaage – kein hektisches Geschaukel mehr, keine Balanceakte im Zielvorgang.
Das bringt zwei riesige Vorteile:
- Du hast mentale und technische Kapazität frei.
- Du kannst dich auf Wind, Feinkorrekturen oder deinen Schussrhythmus konzentrieren – statt auf Korrekturschwankungen.
Die kurze Zusammenfassung
- Gerade anheben = stabile Basis
- Im Vollauszug ist die Wasserwaage bereits in Position
- Im Zielvorgang nur noch kontrollieren, nicht mehr wild ausgleichen
- Ein ruhiger Bogen führt zu einem ruhigen Zielbild
- Ein ruhiges Zielbild führt zu präzisen Schüssen
So einfach. So effektiv.
Bis zum nächsten Mal –
Präzise ins Gold!
Eure Johanna 🎯